Der Morgen des Sechsten

Dieses Thema im Forum "Geschichten" wurde erstellt von Atomic Bombs Fall, 28. Dezember 2009.

  1. Atomic Bombs Fall

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    Um meinem Namen mal gerecht zu werden. Hab ich vor einiger Zeit geschrieben, da hatte ich diesen noch nicht xP



    Der Morgen des Sechsten

    Es ist kalt. Ich habe schon viele Nächte an solchen gottverlassenen Orten verbracht, aber mittlerweile wird es unerträglich. Seit zwei Monaten ist unser Trupp in diesem alten Schulgebäude stationiert, die Augen immer auf die Küste gerichtet.
    Während ich mit hallenden Schritten durch die alten Gänge der Schule gehe, fällt mir auf, wie fehl am Platz wir hier doch sind. In den Ecken liegen zerschlagene Tische, die Mauern sind zum Großteil eingerissen und in den alten Korridoren hängen noch immer Kritzeleien von Kindern an den Wänden. Wahrscheinlich sollte man diesem Anblick mit gemischten Gefühlen entgegenstehen, doch mich stimmt er einfach nur traurig.
    Vor einer halboffenen Tür mache ich halt. Würde die Außenwand nicht in Trümmern davor liegen, könnte dies ein einfaches Klassenzimmer, voller kleiner Grundschüler sein. Der nächtliche Wind zieht sich durch den kleinen Saal und einen Moment lang bin ich mir sicher das Lachen und Rufen der Schüler durch die leise Melodie der eisigen Brise hindurch zu hören. Ein knirschen ertönt. Meine schweren Stiefel zerdrücken einige Holzstifte die auf dem Steinboden herum liegen. Was haben wir hier zu suchen? Was tun wir hier?

    Natürlich wissen wir, was wir hier tun - wir wussten es schon seit einer Ewigkeit, wie es uns vorkam. Zumindest machte man uns damals Glauben es zu wissen. Langsam laufe ich um die unberührten, kleinen Pulte herum und blicke durch die fehlende Wand auf das Meer. Das Firmament strahlt hell heute Nacht. Die weißen Wellenspitzen schlagen friedlich und mit kaum vernehmbarem Rauschen gegen den steinigen Abhang. Eine Weile bleibe ich regungslos stehen, bis ich meinen Blick gedankenverloren abwende und wieder in den Gang hinaus schreite. Eigentlich will ich das Gebäude gleich wieder verlassen um die Kontrollposten zu überprüfen, da dringt plötzlich ein Schluchzen durch den Raum. Es ist X-Ray. Für einen Außenstehenden mag es schwierig sein, sich einen Soldaten in voller Montur weinend auf dem Boden sitzend vorzustellen, doch der arme Junge macht seit 3 Tagen nichts anderes mehr. Ich glaube er vermisst seine Familie. Er hat während der letzten Monate einen ganzen Sack voll Briefe an sie geschickt und vor einigen Tagen kam dann mit samt den ungeöffneten, hoffnungsvollen Schreiben die Nachricht, vor der wir uns hier alle fürchten.
    Verdammter Anami Korechika! Dieser aufgeblasene Drecksack von einem Kriegsminister predigt schon seit langem den Frieden, aber er weiß genau, dass der einfache Mensch vor dem Abgrund steht. Zornig trete ich eine rostige Getränkedose gegen die Wand, die sich immer wieder hallend in der Dunkelheit verliert. Aus dem kleinen Vorkriegs-Radio, das draußen am Eingang steht, dröhnen schon wieder aufmunternde Militärmärsche gegen die unbezwingbare Stille an. Nichts als Propaganda! Das einzige was an "Vaterland" hier draußen bei uns ist, ist eine rot-weiße Flagge auf den Schultern unserer Uniformen.

    Ich muss leider sagen, dass ich zu denjenigen gehöre, die die Aufzeichnungen der Amerikaner mit ihren nuklearen Tests, mit ansehen durften. So etwas habe ich noch nie gesehen... aber so wahr mir Gott helfe: Es gibt sie wirklich! Hätte nie gedacht, dass so etwas existieren kann, bis ich die flimmernden Bilder auf den Monitoren sah. Nichts. Rein gar nichts bleibt übrig. Das einzige was sich noch feststellen lässt ist ein atomarer Nebel, der sich wie ein Leichentuch über die verbrannte Erde legt. Natürlich hab ich den Jungs nichts davon erzählt. Sie sollen nicht noch verängstigter werden.
    Behutsam schalte ich das alte Radio aus und gehe langsam über den zersprengten Innenhof zu einer Sandsackbarrikade. Als hier die ersten Bomben einschlugen, war bereits alles evakuiert. Wir sollten nur nach weiteren Landungsboten und Flugzeugen Ausschau halten, den Rest würden dann "die in der Basis" übernehmen.
    Foxtrot – ein weiteres Mitglied aus der Einheit sitzt schweigend mit dem Kopf über einer improvisierten Arbeitsfläche und bastelt wohl wie üblich an den Flinten herum. Als er mich entdeckt winkt er mir grinsend zu. Nur widerwillig lächle ich zurück. Manchen Leuten kann man einfach nicht die Laune verderben. Ich denke er hat nichts mehr zu verlieren. Ohne weiter nachzudenken greifen meine behandschuhten Finger nach einer der reparierten Waffen. Eigentlich schaue ich mir den von Schweißnähten gezeichneten Lauf gar nicht an.
    Mir gehen in letzter Zeit immer wieder Zweifel durch den Kopf. Ich zweifle daran, ob wir im Falle des Falles überhaupt etwas ausrichten können. Oder wollen.

    Einige Meter entfernt setze ich mich auf einen, vom Regen porös gemachten Stuhl und blinzle durch das von Schmutz umrandete Fernrohr der Waffe. Weit hinten, mindestens 2km entfernt stehen die Lichter der Hafenstadt, auf die wir "aufpassen" sollten. Als könnten wir irgendetwas ausrichten. Niemand hier weiß eigentlich was die Leute dort unten treiben. Es kam mir von Anfang an seltsam vor, dass wir ausgerechnet hier her stationiert wurden. Das Land ist immerhin groß genug, als das man nicht jedes Städtchen als möglichen Angriffspunkt der Amis sehen kann.
    Der Lauf der Waffe senkt sich und ich stecke mir eine dieser billigen Do-it-yourself-Zigaretten an. Mit ein bisschen Glück ist es bald überstanden und wir können tatsächlich wieder heim gehen. Oder zumindest zu dem Ort, auf dem einst unsere Heimat stand.
    Erst jetzt bemerke ich ein leises Piepsen, welches durch die Nacht irrt. Unsere unbesetzte, improviersierte Funkstation (nicht mehr als ein Metallkasten in Toastergröße, ein Kopfhörer und ein Mikrophon) scheint irgendetwas aufgezeichnet zu haben. Sicherheitshalber sehe ich nach.
    Als mein Zeigefinger einen der metallenen Schalter umlegt, ertönt erst ein Rauschen, welches sich aber bald in eine zugeschickte, kaum verständliche Sprachnotiz verwandelt: "...Zero, point... Zero... One, Three... Megatons Trinity... Let's get ... over well-". Ich habe keine Ahnung was diese ausländischen Wortfetzen zu bedeuten haben, Foxtrot jedoch springt nun urplötzlich auf und deutet auf die Anlage. "Die Amis!"
    Hecktisch räumt er sein Werkzeug bei Seite und starrt konzentriert in den Himmel. Der Strohhalm, auf dem er vorher noch rumgekaut hatte fällt ihm aus dem Mund. "Dieses Mal sind das keine Späher...". Er hält sich ebenfalls eines der anmontierten Ferngläser ans Auge und sucht den Himmel offenbar nach Flugzeugen ab. Sein Gesicht hat einen merkwürdigen Ausdruck angenommen. Eine Mischung aus Faszination und Angst.
    Die Flugzeuge bewegten sich immer weiter auf die Hafenstadt zu. Er darf nicht Recht haben. Das sind einfache Erkundungsdrohnen... Das Geräusch der Motoren erklingt.
    Einen Augenblick später sind sie genau darüber.
    Ein schwarzer Punkt.
    Die Sonne geht auf.
    Ein gleißender Blitz.
    Das Lachen der Kinder.
    Und ich versinke im Licht.
     
  2. Blacktiger24

    Blacktiger24 WM-2010-Tippspielsieger

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    Finde die Geschichte klasse :)
    Ein paar Änderungen und man könnte es durchaus als buch verkaufen :D
     
  3. Atomic Bombs Fall

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    Danke ^^
    Joa... das Ende ist zu aprupt... außerdem wärs dann wohl nur ein 2-Seiten-Buch, aber immerhin. :rofl:
     
  4. Nanoflot

    Nanoflot Gast

    super story
     
  5. itachi

    itachi Gumba

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    Gelugene Geschichte, aus dieser Perspektive wirkt die Geschichte auch viel authentischer :D
    Klasse, schon fast zu gut
    *Nach links und rechts kuck*
     
  6. Darkman

    Darkman Gast

    Mehr als 2 Seiten! Hamma Geschichte :) :thumbsup:
     
  7. Atomic Bombs Fall

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    Hehe, danke Leute x'D
    Schön wenns euch gefällt ^^
     
  8. Asuma

    Asuma Wario <img src="http://www.imagebanana.com/img/vv

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    Mir gefällt die Geschichte wirklich gut.

    Du gehst schön ins Detail, was die Geschichte sehr glaubwürdig macht und hast die Allgemeinstimmung gut rübergebracht.

    Das abrupte Ende kommt eigendlich ganz gut, vielleicht etwas ausbaubar, aber vom Ansatz genau das Richtige.

    nur weiter so!
     
  9. eisregen

    eisregen Yoshi <img src="http://www.imagebanana.com/img/ycf

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    Wirklich eine Gute Geschichte
     
  10. Atomic Bombs Fall

    Atomic Bombs Fall Wario <img src="http://www.imagebanana.com/img/vvu

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    Danke für die Kommentare =)
    Ich versuch meistens Atmospähre einzufangen und dann kommen die einzelnen Bestandteile wie der Schluss oft zu kurz :o
    Naja, ich kann ja noch üben ^___^
     

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